Das Buch im Buch. — Ein Buch liest man nicht; man stürzt hinein; es ist in jedem Augenblick um uns herum. Wenn wir nicht etwa im Zentrum, sondern in einem der zahllosen Zentren des Buches sind, merken wir, daß das Buch nicht nur grenzenlos, sondern auch einzig ist. Es gibt keine anderen Bücher; alle anderen Bücher sind in diesem verborgen und werden in diesem geoffenbart. In jedem Buch sind alle anderen enthalten; in jedem Wort alle Wörter; in jedem Buch alle Wörter; in jedem Wort alle Bücher. Also steht dieses Parallel-Buch weder daneben noch am Rand, noch als Fußnote, es ist drin, wie alle Bücher, denn es gibt kein Buch, das nicht parallel wäre.
— Giorgio Manganelli, Pinocchio. Ein Parallel-Buch. Frankfurt am Main, 1993.
Kopf und Buch. — Der Mensch braucht stets ein Medium, um sich der Funktionsweise seines Kopfes zu vergewissern: Atlanten, Bilder, Noten, Zettel – und eben auch Bücher.
Umfangreiche Bücher. — Ein mühseliger und strapazierender Unsinn ist es, dicke Bücher zu verfassen; auf fünfhundert Seiten einen Gedanken auszuwalzen, dessen vollkommen ausreichende mündliche Darlegung wenige Minuten beansprucht. Ein besseres Verfahren ist es, so zu tun, als gäbe es diese Bücher bereits, und ein Resumé, einen Kommentar vorzulegen. So machte es Carlyle in Sartor Resartus, so Butler in The Fair Haven: Werke, behaftet mit der Unvollkommenheit, daß sie eben auch Bücher sind, nicht minder tautologisch als die anderen. Aus größerer Gewitztheit, größerer Unbegabtheit, größerer Faulheit habe ich das Schreiben von Anmerkungen zu imaginären Büchern vorgezogen.
— Jorge Luis Borges, Erzählungen. Universalgeschichte der Niedertracht - Fiktionen - Das Aleph. München, 2000.
Unumstößliche Tatsache. — Jedes Buch, das gelesen werden will, muss sich rechtfertigen.
Der Aufstieg der Bücher. — Gewöhnliche Bücher sind wie Meteore. Jedes von ihnen hat einen Augenblick, einen Moment, da es schreiend auffliegt wie ein Phönix und mit allen Seiten brennt. Dieses einen Augenblicks, dieses einen Moments wegen lieben wir sie, obgleich sie dann schon Asche sind. Und mit bitterer Resignation wandern wir manchmal spät über die erkalteten Seiten und lassen mit hölzernem Klappern ihre toten Formeln wie einen Rosenkranz durch die Finger gleiten. Die Exegeten des Buches behaupten, daß alle Bücher nach der Urschrift dürsten. Sie leben nur ein geborgtes Leben, das im Augenblick des Hochfliegens zu seiner alten Quelle zurückkehrt. Das heißt, die Bücher werden weniger, das Original wächst.
— Bruno Schulz, Die Mannequins und andere Erzählungen. Frankfurt am Main, 1984.
Die meisten Menschen, die Bücher verfaßt haben, haben sie nur geschrieben, um sich selbst zu erforschen. Das ist vielleicht eine der Ursachen dafür, daß es so viele schwache Bücher gibt.
Hérault de Séchelles, Theorie des Ehrgeizes
Das Wesen des Buches. — Ein Buch ist nie nur ein Buch. Es ist das Zusammentreffen von Sprache, Situationen, Orten und Köpfen.
Die Buchweltsicht. — Die Bücherwelt ist in der That nur die Carricatur der wircklichen Welt. Beyde entspringen aus derselben Quelle - Jene aber erscheint in einem freyern, beweglicheren Medio - daher sind dort alle Farben greller - weniger Mitteltinten - die Bewegungen lebhafter - die Umrisse daher frappanter - der Ausdruck hyperbolisch. Jene erscheint nur Fragmentarisch – diese Ganz. Daher ist Jene poetischer – geistvoller – interressanter – mahlerischer – aber auch unwahrer – unphilosophischer – unsittlicher. Die meisten Menschen, die meisten Gelehrten mitgerechnet haben auch nur eine Buchansicht – eine fragmentarische Ansicht der wircklichen Weit – und dann leidet sie unter den nemlichen Gebrechen und genießt aber auch die nemlichen Vortheile, als die Bücherwelt. Viele Bücher sind auch nichts als Darstellungen solcher einzelnen, fragmentarischen Ansichten der wircklichen Welt. Mehr über das Verhältniß der Buchwelt (Litterarwelt) zur wircklichen Welt.
— Novalis, Teplitzer Fragmente. 1798.
Rückfragen. — Das generelle Problem mit Büchern ist, dass man einem Buch keine Rückfragen stellen kann.
Zweck eines Buches. — Ein Buch sollte keine anderen Bücher verhindern. Es sollte sie höchstens in den Schatten stellen. Das zu erreichen ist die Aufgabe des Autors.