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Bibliothek ordnen

Leitsatz
Ich habe mir das Paradies immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.
— Jorge Luis Borges

Eine Bibliothek kann die Hölle sein, wenn man ein Buch sucht und es nicht findet. Wie sortiert man also Bücher in der eigenen Bibliothek? Theoretisch so, dass man sie auch wieder findet. Die Praxis sieht natürlich ganz anders aus. Es gibt keine allgemeingültigte Lösung, ohne Kompromisse geht es nicht. Nachfolgend einige Anregungen.

Drei Ordnungskategorien. — »Bücher, die einfach zu ordnen sind«, »Bücher, die nicht allzu schwer zu ordnen sind« und »Bücher, die eher unmöglich zu ordnen sind«. Nachbemerkung: »Es ist gar nicht so schlecht, wenn unsere Bibliotheken ab und zu auch als Gedächtnisstütze, Katzennische oder Rumpelkammer dienen.«
— Georges Perec345

Zwölf Sortierkriterien. — »Alphabetisch, nach Kontinent oder Ländern, nach Farben, nach Kaufdatum, nach Erscheinungsdatum, nach Format, nach Gattung, nach Literaturepoche, nach Sprachen, nach Lesevorrang, nach Einband, nach Reihen.«
— Georges Perec, Kurze Notizen über die Kunst und die Art, seine Bücher zu ordnen

Unverhoffte Entdeckungen. — »Die ideale Bibliothek sollte ein wenig sein wie der Stand eines bouquiniste, eines Straßenbuchhändlers: ein Ort für unverhoffte Entdeckungen.«
— Umberto Eco, Nachschrift zu Der Name der Rose

Serendipity-Methode. — Das zufällige Finden von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem. Aby Warburg schuf für seine Bibliothek der Kulturgeschichte ein eigenes Klassifikationssystem; er nannte es das »Gesetz der guten Nachbarschaft«. Es war derart angelegt, dass es den Benutzer zu Büchern und Ideen hinführen sollte, mit denen er noch nicht vertraut war. Ein Buch, das man fand, war vielleicht nicht das, das man eigentlich brauchte. Doch das benachbarte Buch enthielt möglicherweise genau das Gesuchte.

Keine Briefmarken. — »Bücher sind nicht einfach Sammelobjekte, die sich wie Briefmarken in einem Album an vorbestimmten Plätzen unterbringen oder wie Schmetterlinge nach einem System ordnen lassen«, man hat es im Gegenteil »mit höchst lebendigen Individuen zu tun, die nie aufhören, Rücksicht und Teilnahme zu verlangen«.
— Hans Erich Nossack, Das Alltagsdasein von Büchern

Dewey Dezimalklassifikation®. — Wissenschaftlich korrekt bis zur siebten Ebene, jedoch kostenpflichtig. Haupttafeln: 0 Informatik, Informationswissenschaft – 1 Philosophie, Psychologie – 2 Religion – 3 Sozialwissenchaften – 4 Sprache, Linguistik – 5 Naturwissenschaften – 6 Technik, Medizin, Management – 7 Künste, Architektur, Grafik, Musik, Unterhaltung – 8 Literatur, Rhetorik, Literaturwissenschaft – 9 Geschichte, Geografie, Reisen.
WebDewey Search, die freie DDC-Suche

Mut zur Unkonventionalität. — Die absoluten Lieblingsbücher ganz unten im Regal, damit man sich demütig vor ihnen verbeugen oder vor sie hinknien muss, wenn man sie zur Hand nehmen möchte. Und die Sachbücher auf die oberen Regalbretter, unter der Zimmerdecke, denn der Weg zum Wissen ist beschwerlich. Ungeliebte Bücher setze man in Regale, die der Mittagssonne ausgesetzt sind, so dass Autorennamen und Titel auf dem Buchrücken langsam verblassen und schließlich ganz verschwinden.

Heroeale Ordnung. — Das Sortieren nach Helden. Man stelle Romane nebeneinander, deren Helden sich gut verstehen würden, zum Beispiel Tolstois Anna Karenina und Fabrizio del Dongo aus Stendhals Die Kartause von Parma.

Viktorianische Ordnung. — »Die Hausfrau wird bedacht sein, dass die Werke männlicher und weiblicher Autoren räumlich getrennt auf verschiedenen Regalen platziert werden. Deren Nähe, außer bei verheirateten Schriftstellern, sollte nicht toleriert werden.«

Kataloglose Ordnung. —

Biomorphe Ordnung. — Das Sortieren nach dem Alter, in dem Autoren Bücher geschrieben haben. So hat man die Frühwerke in der ersten Regalreihe, die weisen Alterswerke ganz am Schluss.

Domitopische Ordnung. — Das Sortieren nach Zimmern. Im Korridor am besten Lyrik, damit man sich, wenn man aus dem Haus geht, noch schnell einen Band für die Tramfahrt in die Manteltasche stecken kann. In der Küche selbstverständlich Kochbücher von Bocuse bis Pellaprat, denen, würde man tatsächlich kochen, authentische Kostproben anhafteten. Im Schlafzimmer befolge man Julian Barnes’ Ratschlag: »Nur Bücher, die sich gut auf dem Nachttisch machen, falls man plötzlich und unerwartet stirbt«. Für den gewissen Ort eignen sich Bücher wie James Joyce' Ulysses. Henry Miller hielt für Passagen dieses Buches tatsächlich die Toilette für den geeigneten Ort – um die »ganze Würze auskosten« zu können. »O die herrlichen Pausen auf den Toiletten! Ihnen verdanke ich die Kenntnis Boccaccios, Rabelais' und des Goldenen Esels. Alle guten Bücher habe ich auf der Toilette gelesen«, erinnert sich Miller in Schwarzer Frühling.

Oder nach Art des des Library Hotels in New York. Auf der literarischen (achten) Etage (von zehn, siehe Dewey) befinden sich folgende Genre-Zimmer: 800.006 (Krimis), 800.005 (Märchen), 800.001 (Erotika) oder 800.002 (Klassik). Liebhaber philsophischer Werke sollten sich lieber in der elften Etage einquartieren: im Zimmer 1100.006 (Liebe), 1100.002 (Ethik) oder in 1100.001 (Logik).

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