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Vom Schreiben müssen

In einem Cartoon des australischen Zeichners und Schriftstellers Michael Leunig kommt ein Mann zum Arzt und sagt, er trage ein Buch in sich. Der Arzt ist überhaupt nicht überrascht, er will dem Mann sogar zu einem Verlag verhelfen. Doch der Mann lehnt ab, er will partout kein Schriftsteller werden. Der Arzt solle sein inneres Buch herausoperieren, oder es mit Heilkräutern auflösen oder ihn sonstwie therapieren. Nun, sagt da der Arzt begütigend, wir alle müssen früher oder später Schriftsteller werden. Wir müssen lernen, das zu akzeptieren. Wir werden geboren, wir leben und dann, traurigerweise, müssen wir schreiben.

Müssen wir wirklich schreiben? Ich fahre mit der Tramlinie 4, sehe dort ein Plakat hängen, das jeden Fahrgast auffordert: »Schreib’ Dein Buch«. Ich frage mich: Ist das ein Befehl, eine Ermunterung oder der subtil ausgeübte Zwang, den man heute mit der Vokabel Nudging umschreibt? Mir erscheint das Schreiben müssen als eine Spezialität und einen gesellschaftlichen Trend unserer Zeit. Keine Frage: Wer nicht schreiben kann, kann existenzielle Nachteile erleiden. Öffentliche Schreiber gibt es schon lange nicht mehr. Ganz krass zeigt sich das Schreiben müssen in den »sozialen« Medien: Wer nicht interessant und ausdauernd schreibt, wird nicht wahrgenommen, er existiert einfach nicht. Aber ein Buch schreiben – müssen wir das?345

Ja, wir müssen schreiben
Ein Buch ist – die Aufzählung ist nicht abschließend –

  • ein Wettbewerbsfaktor, Stichwort Umwegrentabilität, Autortyp Unternehmer: Die Investition ins Buch rentiert sich über die steigenden Umsätze im Kerngeschäft;
  • eine Affirmation, Stichwort Content, Autortyp Guru: Experte sein, Experte werden;
  • ein Egotrip, Stichwort Traumerfüllung, Autortyp Idealist: Buchschreiben macht glücklich und hebt das Selbstwertgefühl;
  • eine Hidden agenda, Autortyp Lebenskünstler: »Meine Freunde werden überrascht sein und staunen, und nebenbei verdiene ich etwas Geld«;
  • ein letzter (verzweifelter) Versuch, Autortyp Don Quichotte: »Jetzt kann mich nur noch ein Krimi retten, sonst ist meine Karriere am Ende.«

Merke: Das Buch ist – neben Diplom, Magister, Doktor etc. – die einzige gesellschaftlich akzeptierte Bestätigung für Kompetenz. Sie glauben mir nicht? Fragen Sie einen Ghostwriter, aus welchen Gründen sich Leute von ihm ein Buch schreiben lassen wollen.345

Palims Auftritt
Also ein Buch schreiben. Doch das ist leichter gesagt als getan. Schon beginnen die Fragen: Worüber schreiben, wenn schon alles gesagt wurde, aber noch nicht von allen (Karl Valentin)? Womit anfangen, womit aufhören? Nicht nur ein Sachbuch (minimal 200 Seiten), auch ein belletristisches Werk (minimal 300 Seiten) braucht eine Idee, eine Geschichte, ein Gerüst, den roten Faden. Also schon mal anfangen, Fakten sammeln, Buchanfänge schreiben? Da taucht Palim auf, mein Alter Ego, und warnt: »Das Buchschreiben ist kein Spaziergang, das ist ein Projekt. Wer nicht weiß, wie ein Buchprojekt funktioniert, sollte jemand fragen, der sich damit auskennt.« Und damit bin ich schon mitten im Thema des BuchCoachs angelangt.