Leitsatz
Er beansprucht durch seine aufmerksamkeitserregenden Posen eine wesentliche Rolle im Literaturbetrieb.
— Franz Schuh, Schreibkräfte
Wortfeld
Agent akademisch Augur Außenseiter Auszeichnung bundesdeutsch bundesrepublikanisch deutschsprachig Distanz Erfindung etabliert hektisch hiesig Literatur Mechanismus Nachkriegszeit Popstar Ritual Satire Schlüsselroman Seitenhieb spätbürgerlich spanisch Star Usance westdeutsch Wunderkind zeitgenössisch Zirkel.
Reservat. — Der Literaturbetrieb ist das Reservat, in dem man anstößigen Individuen einiges an Narrenfreiheiten zubilligt.
Frei nach Werfel. — »Nein, ich halte Sie weder für einen Erpresser, bestechlichen Haderlumpen noch pfäffischen Hanswurst.«
Bestseller. — Bestseller sind Schnelldreher. Kein Wunder, dass so manchem Autor und Verleger schwindlig wird.
Immer wieder Shakespeare. — So manches neu erschienene Buch über Shakespeare wird als Kulturgeschichte versprochen, am Ende als Rezeptionsgeschichte geliefert. Geschichte, immerhin. Ohne Narrativ geht ja heute gar nichts mehr.
Wer bereit ist, kostenlos zu arbeiten, bescheinigt ungewollt, dass er von seiner Arbeit nicht überzeugt ist.
Publish or perish. — Eine triviale Beobachtung liefert das Futter für mindestens fünfzehn Fachartikel, die in ein Buch wandern können. So funktioniert – gar nicht selten – Sachbuch, Fachbuch oder Wissenschaftsbuch.
Stundenlohn. — Der Stundenlohn eines nicht etablierten Autors liegt derzeit bei einem Euro sieben. Mehr bekommt er nicht. Man nennt es Marktpreis. Recherchieren, reisen, interviewen, Literatur kaufen, lesen, Orte aufsuchen etc. sollte der nicht etablierte Autor unter dem Motto »Mein langer Weg zum unbekannten Ziel« verbuchen.
Regelwerk für E-Books
- Es gibt nur eine Regel.
- Der Distributor erhält einen überproportionalen Prozentanteil.
- Der Autor muss nehmen, was der Distributor ihm gibt.
- Beschwerden sind aussichtslos und werden mit Auslistung geahndet.
Der deutsche Literaturbetrieb. — Ein etabliertes Ordnungssystem, das innerhalb nach außen unbekannter Koordinaten arbeitet. Wer darin untergekommen ist, hat nahezu ausgesorgt. Wer nicht, bleibt zeitlebens unterversorgt.
Handaufhalter. — Alle diese Leute werden an Ihrem Buch verdienen (in alphabetischer, nicht umsatzrelevanter Reihenfolge): Agent, Buchhändler, Designer, Distributor, Drucker, Finanzamt, Gestalter, Grafiker, Grossist, ISBN-Agentur, Lektor, Paketdienst, Papierhändler, Schriftsetzer, Typograf, Verlag, VG-Wort.
Anderes Wort. — Verwertungsgesellschaft ist nur ein anderes Wort für Metzgerei. Die Tätigkeit bleibt die gleiche. Der Autor ist das arme Schwein.
Verbrauchsliteratur.
Einnahmen. — Wer bei Wissenschaftsverlagen veröffentlicht, wird nicht mit Geld, sondern mit Reputation bezahlt. Der Kurs kann schwanken. Die Einnahmen bleiben gleich – bei null.
Wunsch und Wünschen. — So wie ein Wunsch – im Gegensatz zu Wünschen – nicht zählbar ist, kann man die Wirkung einer Idee, eines Essays oder Buches nicht quantitativ messen. Alles Zahlengerede ist daher nutzlos.
Industrie. — Wissenschaftsverlage sind zu einer Industrie geworden, die nicht Bücher produziert, sondern mit Rechten und Lizenzen handelt. Dass dabei das eine odere andere Buch herauskommt, ist mehr Zufall als Absicht.
Open Access — Modell, das das bisherige Verlagsprinzip umkehrt: Nicht mehr das Lesen kostet, sondern das Publizieren.
Frauen und Männer. — Da müssen Sie nur einmal durch das Gelände der Frankfurter oder Leipziger Buchmesse gehen. Überall an den Publikumsständen Frauen, an den Verhandlungstischen Männer. Naturgemäß hat das Folgen.
— Margit Schreiner, Interview Buchkultur Herbst 2019.
Sichtbare und unsichtbare Bücher. — Gekauft wird meist, was sichtbar ist. Im Sortimentsbuchhandel sind Bücher noch sichtbar. Im Internetbuchhandel muss man suchen und finden, um zu sehen. Das ist anstrengend, braucht Zeit, verlangt Kenntnis. Gekauft wird daher meist das, was andere zuvor gekauft haben.