Bedeutung
- Schriftzeichen
- Trennung von Satzgliedern und Sätzen
- Kennzeichnung des Schlusses von Ganzsätzen
- Bezeichnung der Satzintonation
- Anführung von Äußerungen oder Textstellen
- Hervorhebung von Wörtern oder Textteilen
- Markierung von Auslassungen
- Haltung des Autors, der ein Zeichen verwendet
- Bildlichkeit und Sinnlichkeit des Zeichens
- Sinnkonstitution
Wortfeld
Anführungszeichen Apostroph Aufzählungszeichen Auslassungspunkte Ausrufzeichen Bindestrich diakritisches Zeichen Divis Doppelpunkt Ergänzungsstrich Fragezeichen Gedankenstrich Geviertstrich Hochkomma Hochpunkt Interpunktionszeichen Interrobang Klammern Kolon Komma Leerzeichen Mittelpunkt Nichtbuchstabe Punkt Schrägstrich Semikolon Slash Spiegelstrich Sternchen Strichpunkt Trennstrich Typographie Virgel Zeichensetzung.
Dimension. — Die drei Dimensionen eines Satzzeichens sind (nach Adorno): Geste, Gestalt und Bedeutung.
Signale. — Gleicht nicht das Ausrufungszeichen dem drohend gehobenen Zeigefinger? Sind nicht Fragezeichen wie Blinklichter oder ein Augenaufschlag? Doppelpunkte sperren, Karl Kraus zufolge, den Mund auf: weh dem Schriftsteller, der sie nicht nahrhaft füttert. Das Semikolon erinnert optisch an einen herunterhängenden Schnauzbart; stärker noch empfinde ich seinen Wildgeschmack. Dummschlau und selbstzufrieden lecken die Anführungszeichen sich die Lippen.
— Theodor W. Adorno, Noten zur Literatur. Gesammelte Schriften 11. Frankfurt am Main, 1974.
Hinweis. — Das »!« ist kein Satzzeichen, sondern ein mathematischer Operator.
— Jürgen Beetz, 1 + 1 = 10 Mathematik für Höhlenmenschen. Berlin, Heidelberg, 2013.Die Kunst der Verfeinerung. — Es ist das Stiefkind unter den Satzzeichen, oft unterschätzt und verkannt: das Semikolon. Mehr als ein Komma, weniger als ein Punkt. Viele Menschen wissen nicht, was sie damit anfangen sollen, und halten das Semikolon für überflüssig. Sein besonderer Nutzen liegt in etwas, das nicht jedem liegt: in der Differenzierung, der typografischen Auflockerung, der stilistischen Verfeinerung.
— Bastian Sick, Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod Folge 6. Köln, 2015.
Anführungszeichen. — Anführungszeichen sind Distanz-Zeichen. Der Schreibende distanziert sich von der Sprache. Er zeigt an, dass er der Bedeutung, die dem derart markierten Begriff bisher zukam, nicht folgen will. Zwar will er den Begriff nicht weiter verwenden, kann oder will ihn jedoch nicht durch einen neuen ersetzen. Anführungszeichen entlasten von ausführlichen Erklärungen; sie signalisieren dem Leser, eine kritische Distanz einzunehmen und fordern ihn auf, situationsbedingt nicht all die Schlüsse zu ziehen, die er normalerweise aus dem Gebrauch des markierten Ausdrucks ziehen würde.
— Vgl. Georgio Agamben, Idee der Prosa. Frankfurt am Main, 2003.
Schlusspunkt. — In der hypertextuellen Welt gibt es keine Schlusspunkte mehr. Der Schlusspunkt wirkt als repetitiver Ausgangspunkt.
Drei Punkte. — Die drei Punkte sind zu meinem wichtigsten Satzzeichen geworden, die Aufforderung an den Leser, sich den Rest selbst zu denken.
— Jochen Schmidt, Schmidt liest Proust. Dresden, Leipzig, 2008.
Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig ist das Angesicht!
Interesse. — Es fällt auf, dass den Satzzeichen selbst wenig Beachtung geschenkt wird, sondern meist nur dasjenige interessiert, was sich hinter dem Zeichen verbirgt.
Fragezeichen. — … gelesen, wie sich dieses Satzzeichen langsam aus dem Quaestio entwickelte, wie es in der Aufklärung an Zahl zunahm, dort tatsächliche Fragen herausstellte, die offene Fragen wurden, diese betonte, hervorhob, besonders beeindruckt habe sie die kurze Analyse der Frage in Die Leiden des jungen Werthers, in dem ja alles infrage gestellt scheint, vor allem das Gefühl, ob es denn wahr und wirklich sei, wie dagegen in der gegenwärtigen Literatur mit Ausnahme von Arno Schmidt das Fragen und damit auch das Fragezeichen immer weiter abnehme – Arno Schmidt, er sei leider nicht ihr Autor – ja, sie sagte ihr –, aber was sie dann regelrecht aufgeschreckt habe, sei dieser Bezug zu dem nicht mehr Fragen-können gewesen, dem Nicht-mehr-Ausforschen, dem Urteilen vor dem Abwarten, wie Fragesätze sich in Aussagesätze verwandelten.
— Uwe Tim, Vogelweide. Köln, 2013.
Mäntelwurf. — Dann sammelte sie die anderen Mäntel auf, und jedes Mal wenn sie einen aufs Bett schleuderte, unterbrach sie sich mitten im Satz. Die Mäntel waren wie Satzzeichen – jähe Gedankenstriche, hastige Punkte, heftige Ausrufezeichen –, und jedes schnitt durch ihre Rede wie eine Axt.
— Paul Auster, Das Buch der Illusionen. Reinbek bei Hamburg, 2002.
Autortipp. — Wenn Sie den eigenen Text laut vorlesen, entdecken Sie leichter unstimmige Formulierungen und fehlende Übergänge. Lesen Sie die Satzzeichen mit, unterstützt das laute Lesen auch die Endkorrektur. Zeichenfehler werden hörbar.
Geschichtliches. — An der etwa im 4. Jahrhundert einsetzenden Interpunktion der scriptio continua, d. h. dem Schreiben ohne Satzzeichen und Pausen, das den geschriebenen Text wie eine fließende Rede erscheinen ließ, dessen Sinn im mündlichen Vortrag hervortrat, lässt sich die ›Zerstückelung‹ der Mündlichkeit durch die Schrift – die ›Penetration‹ des Sprachbandes durch das Satzzeichen und die Wortrennung – deutlich ablesen.
— Christina von Braun, Inge Stephan (Hrsg.), Gender@Wissen Ein Handbuch der Gender-Theorien. Köln, Weimar, Wien, 2009.