Inselbuch. — Sehr geliebt habe ich die Souvenirs entomologiques von Jean-Henri Fabre, ein unvergleichliches Buch, das in der Leidenschaft des Beobachtens und der grenzenlosen Liebe zum lebenden Wesen der Bibel weit überlegen ist. Lange habe ich gesagt, dies sei das einzige Buch, das ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Inzwischen habe ich meine Meinung geändert: Ich nähme überhaupt kein Buch mehr mit.
— Luis Buñuel, Mein letzter Seufzer. Berlin, Wien, Frankfurt am Main, 1985.
Wer aus den Büchern nichts mehr lernt, als was in den Büchern steht, der hat die Bücher nicht halb genutzt. Wen die Bücher nicht fähigmachen, daß er auch das verstehen und beurteilen lernt, was sie nicht enthalten; wessen Verstand die Bücher nicht überhaupt schärfen und aufklären, der wäre schwerlich viel schlimmer dran, wenn er auch gar keine Bücher gelesen hätte.
— Gotthold Ephraim Lessing, Sogenannte Briefe an verschiedene Gottesgelehrten, die an seinen theologischen Streitigkeiten auf eine oder andere Weise teilzunehmen beliebt haben. In: Werke und Briefe, Band 10.
Lesenweisheiten
- Nº 1 — Unabhängig davon, wie intensiv wir Texte zu erinnern versuchen, sie werden unweigerlich dem Vergessen anheim fallen.
- Nº 2 — Unabhängig davon, wie genau wir einzelne Texte kennen, sie werden uns niemals einen umfassenden Überblick verschaffen.
- Nº 3 — Unabhängig davon, wie viel wir lesen, die Masse des Ungelesenen wird immer größer bleiben.
Buchkonsum. — Ein Buchleser kann nie ein Verbraucher sein. Bücher kann man nicht verbrauchen.
Reflexives Lesen. — Es gibt aber die Frage, ob jemand ein Buch verstanden habe. Das klingt, als sei ein Buch etwas ganz Bestimmtes. Verstehe man es nicht als dieses ganz Bestimmte, habe man es falsch verstanden oder mißverstanden. Ich glaube eher, daß es einem Buch gegenüber kein Mißverständnis gibt, da jeder Leser, wenn er ein Buch liest, mit diesem Buch immer nur sich versteht, nicht das Buch. Das Buch ist, hat Proust gesagt, eine Art optischen Instruments, mit dessen Hilfe der Leser in seinem eigenen Leben lesen könne.
— Martin Walser, Des Lesers Selbstverständnis. Ein Bericht und eine Behauptung. Parerga 12. Eggingen, 1993.
Read what you like;
like what you read.
Fazit. — Sie sehen, ich bewahre mir meine alten Schwächen; ich liebe die Literatur wie ein Besessener; nur sie verzaubert unsere Mußestunden und spendet wahre Freude.
Friedrich II. an Voltaire (Potsdam, 25. November 1769). In: Voltaire – Friedrich der Große. Briefwechsel. Herausgegeben und übersetzt von Hans Pleschinski. München, 1995.
Tee trinken und Lesen. — Er sagt, er lege zwischen die Buchseiten seiner Leseexemplare gerne ausgemusterte, mit dem Lesestoff korrespondierende Teekuverte, so dass ihm beim Aufschlagen durch eine retroaktive suggestion d’odeur der Inhalt sofort gegenwärtig sei.
Lesen und Verstehen. — Ich frage mich, ob ich den Essay Das Handy und die Zuhandenheit des Virtuellen überhaupt lesen kann – lesen im Sinne von Verstehen. Ich vermute, dass dem Autor beim Niederschreiben seines vorstellenden Denkens das »Gestell« zerbrochen ist.
Viellesen. — Der Lesesucht um 1800 nicht unähnlich ist bei zahlreichen Zeitgenossen das Viellesen zu beobachten. Ist es nicht das Erkennungsmerkmal des Strebers aus Jugendtagen? Verhaltensauffällig erscheint es allemal.
Moment. — Wie könnte man den Moment benennen, da man ein Buch zu Ende gelesen hat, der letzte Satz noch im Geiste verharrt und eine blitzkurze Reflexion Freude und Zustimmen oder Enttäuschung und Ablehnung ausdrückt?
Der Lesende entscheidet. — Es ist immer der Lesende und nur der Lesende, der am Ende entscheiden muss, ob seine Lektürewünsche, die er zu Beginn an ein Buch richtete, eingelöst wurden.
Pilgerreise. — Ein Buch zu lesen bedeutet aufzubrechen: ohne Absicht, ohne Ziel, nur geleitet durch den Instinkt. Literatur, wie auch die Religion, folgt der Idee der Bewegung: Die eine ist die Pilgerreise, die andere ist der Handlungsverlauf einer Geschichte.
Eine großartige Geschichte lesen wir nicht. Wir leben in ihr.
Lesen versus Nichtlesen. — Manch ein Buch gewinnt dadurch, dass man es nicht liest. Und es verliert dadurch, dass man es genau und kritisch liest.
Rereading. — The real secret of rereading is simply this: it is impossible. The characters remain the same, and the words never change, but the reader always does.
— Verlyn Klinkenborg, Some Thoughts on the Pleasures of Being a Re-Reader. In: New York Times, 30. Mai 2009.
Vorwissen. — Lesen ist nie absolut. Lesen erfordert immer einiges an Vorwissen über die Umstände. Soll ein Text verständlich sein, müssen bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllt sein. Dazu zählen auch andere literarische Werke. Denn jedes literarische Werk greift auf andere Werke zurück, wenn auch unbewusst.
Lesen und Denken. — Werden lange Texte nicht mehr konzentriert gelesen, sinkt auch die Fähigkeit zum komplexen Denken.
Intelligentes Lesen. — Extrem auseinander Liegendes nebeneinanderstellen. Das ist eine besondere Form der Intelligenz.
— Alexander Kluge
Eigentlich ist er ein Büchernarr, vielleicht auch ein Wörternarr, jedenfalls ein Narr.
Höranweisung. — DO NOT READ & LISTEN AT THE SAME TIME.
— Frank Zappa, The Chrome Plated Megaphone Of Destiny auf We’re Only In It For The Money.